Tief im Landesinnern liegt auf knapp 900 Metern Höhe einer der magischsten Orte Myanmars: der Inle-See. Für Fans des südostasiatischen Landes ist der rund 22 Kilometer lange und bis zu 10 Kilometer breite See ein absolutes Muss.
Er liegt allerdings etwas abseits vom Schuss. Von Yangon aus fährt man am besten mit dem Bus – und zwar in der 1. Klasse, sofern man die sehr lange Fahrt (11-12 Stunden) halbwegs komfortabel und gut organisiert samt Gepäck überstehen möchte. Wir nahmen für 21 Dollar pro Person – die Tickets hatten wir schon vor der Reise online gekauft – den “VIP”-Nachtbus von JJ Express an der lebhaften und riesigen Busstation Aung Mingalar im Norden Yangons. Knapp 12 Sunden später, es ist noch dunkle Nacht an diesem 1. Dezember 2019, purzeln wir müde und gerädert, aber happy, angekommen zu sein, in Nyaung Shwe aus dem Bus – und landen direkt in einer Traube von Touristenfängern, die ihre Bootstouren an den Mann oder die übermüdeten und orientierungslosen Passagiere zu saftigen Preisen mit Tuktuks ins Hotel bringen wollen. Wir lassen uns von einem recht gut Englisch sprechenden jungen Mann, der uns sein Boot auf dem Smartphone zeigt und die Tour auf einer schlecht kopierten Seekarte skizziert, seine (handgeschriebene!) Visitenkarte und Whatsapp-Nummer geben und versprechen ihm, uns zu melden.
Ohne Boot nichts los
So ziemlich jeder in Nyaung Shwe hat ein Boot. Oder zumindest einen Bruder, Onkel oder Kumpel, der ein Boot hat. Und so ziemlich jeder dort verkauft oder vermittelt entsprechende Touren. Die Hotels natürlich auch. Wir haben kurz mal G gefragt, was besser ist. G war mit seiner Suchmaschine jedoch nur bedingt hilfreich, also haben wir schließlich den jungen Mann über Whatsapp angefunkt und die rund 7-stündige Tour (20.000 Kyat = ca.12,50 Euro) für den nächsten Tag klargemacht. Und das nicht bereut: Der Tag, der kühl, regnerisch und mit einem etwas unguten Gefühl begann, weil der Bootsfahrer gar nicht der junge Mann selbst, sondern sein kaum Englisch sprechender “Bruder” war, sollte zu einem absoluten Highlight unseres Myanmar-Abenteuers werden.
Nyaung Shwe liegt etwa 2 Kilometer oberhalb des Nordufers und ist über einen Kanal mit dem Inle-See verbunden. Im größten Ort am See finden sich die meisten Hotels, insbesondere die bezahlbaren. Auch logistisch macht eine Unterkunft hier Sinn, wenn man etwa mit dem Nachtbus ankommt – und/oder mit dem frühen Flieger vom Heho Airport abfliegt. Denn wer in einem der adretten Seehotels logiert, muss mitunter bis zu einer Stunde Seefahrt zusätzlich einrechnen.
Andersherum ist man von Nyaung Shwe in 20 Minuten mit dem Boot am See. Und in weiteren 20 – 30 Minuten bei den zahlreichen Sehenswürdigkeiten, die sich rundum oder auch mittendrin befinden. Der Ort selbst bietet vor allem an der Hauptstraße verschiedene Restaurants und Geschäfte sowie einen etwas verschlafen wirkenden Markt.
Apropos verschlafen: Abends werden recht zeitig die Bürgersteige hochgeklappt, zumindest als wir Anfang Dezember dort waren.
Einbeinruderer im Fokus
Aber man ist ja auch nicht wirklich wegen Nyaung Shwe hier. Sondern wegen dem Inle-See. Zu dessen ikonischsten Attraktionen zählen die Einbeinruderer mit ihren großen Reusen und artistischen Einlagen. Und ja, man kann ihnen nicht wirklich entkommen, denn meist warten sie schon in der Nähe der Kanalmündung auf die Touristen in den Booten aus Nyaung Shwe. Das gehört wohl zum Geschäft. Das Schöne ist: Die Jungs machen ihren Job gut – und haben meistens Spaß dabei. Was dann dazu führt, dass man ein paar schöne Fotos bekommt. Und wenn mnan ihnen dann 2.000 Kyat (1,50 Euro) zusteckt, lächeln sie einen breit mit ihren braunroten Betel-Zähnen an. Und rudern langsam wieder auf den weiten See zurück in Richtung der nächsten heranröhrenden Touristenboote.
Der Showroom der Kayan
Was man bei diesen Bootstouren ebenso wenig verpasst wie die Einbeinruderer, sind die nicht minder berühmten Frauen mit den durch Messingspiralen verlängerten Hälsen – so wirkt das zumindest auf den ersten Blick. Die Padaung genannten Damen vom Stamm der Kayan pflegen diese merkwürdige Tradition, für die es verschiedene Erklärungen gibt, und verdienen ihr Geld hauptsächlich mit den Fotos, die sie Touristen von sich schießen lassen. Dafür sitzen sie am Rande einer Art Showroom mit angegliedertem Souvenirshop neben einem Eimerchen mit der Aufschrift “Tip”, der bereits zahlreiche Kyat-Noten unterschiedlichster Größe enthält, und lassen mit mildem Lächeln das Geknipse über sich ergehen. Zwischendurch setzen sie sich auch mal an einen traditionellen Webstuhl und bringen ihre Schiffchen zum Tanzen. Natürlich ist das alles nur bedingt authentisch, aber die Atmosphäre ist angenehm, und niemand guckt einen böse an, wenn der Tip oder der Einkauf im Souvenirshop nicht gerade riesig war.
Seetomaten und Silberfische
Bei allem Tourismus: Viele Locals verdienen ihren Lebensunterhalt immer noch traditionell. Etwa durch Gemüseanbau auf den schwimmenden Gärten. Überall gibt es zudem Werkstätten mit den lokalen Besonderheiten – vom Tabakladen über die Weberei bis hin zum Silberschmied.
Pagodenfelder und Leuchtbuddhas
Zu den absoluten Highlights einer ausgedehnten Bootstour zählt das Nyaung Ohak Kloster mit seinen beeindruckenden Pagodenfeldern (Achtung, kürzere Touren lassen diesen Stop aus, da man eine knappe halbe Stunde flussaufwärts weg vom Inle-See fahren muss).
An der Anlegestelle kommt man direkt in einen sehr langen überdachten Säulengang, der hoch zur eigentlichen Pagode führt.
Dieser endlos wirkende Gang ist auf beiden Seiten mit Hunderten von Souvenirverkäufern gepflastert, die auf jeden halbwegs interessierten Blick anspringen und neben den üblichen Textilwaren die immer gleich geschnitzten Inle-Fischer und Longneck-Frauen loswerden wollen.
Das sind mitunter richtige kleine Familienunternehmen, wobei die Kinder, die zumindest ein bisschen Englisch sprechen, oft als Salesvorhut eingesetzt werden.
Und die – nach kurzer, aber professioneller Verhandlung über den Preis einer hübschen Elefantenmarionette aus Holz – gern für ein Foto posierte.
2.000 Pagoden – und noch mal so viele Hunde
Am Ende des langen Säulengangs erreicht man eine überschaubare Andachtsstätte – und das sagenumwobene Pagodenfeld NAME. Rund 2.000 sollen hier stehen. Gefühlt stammen sie aus mindestens 1.000 Jahren. Viele sind baufällig, halb eingefallen und von Gesträuch überwachsen.
Wer zwischen ihnen hindurchschlendert, den befällt durchaus eine magisch-mythische Stimmung, hin und wieder unterbrochen durch andere Touristen oder auch holzsammelnde Omis aus der Umgebung.
afassafas
Und – wie überall in Myanmar – immer wieder streunende Hunde. Mitunter trifft man gleich auf ganze Welpenrudel. Jedenfalls sollte den Blick nicht nur gen Himmel richten, wer ehrfurchtsvoll zwischen den Pagoden wandelt.
Die Andachtsstätte selbst wirkt inmitten tausender Pagoden fast bescheiden. Schön ist sie trotzdem.
Nicht so schön jedoch: Die mehr oder weniger latent vorherrschende Nicht-Gleichberechtigung von Frauen in und um religiöse Stätten. Aber das ist ja nicht nur ein Problem in Myanmar oder Südostasien (was es natürlich nicht besser macht).
Weberinnen und Dreherinnen
Viel zu tun für Myanmars Frauen: Waren in der Silberwerkstatt noch etwa gleich viele Frauen und Männer beschäftigt, finden sich in den meisten anderen Handwerken überwiegend Frauen.
In der winzigen Zigarrenwerkstatt gleich um die Ecke bzw. gleich um den Kanal rollen drei Arbeiterinnen die Zigarren aus grünlichen Tabakblättern. Vorn am Probiertisch sitzt diejenige, die mit den Touristen spricht und verkauft. Und ganz hinten sitzt Omi, vielleicht die Inhaberin, die das Geschehen (und vor allem den Touristen mit der neugierigen Kamera) mit ihren scharfen kleinen Adleraugen beobachtet.
Final Destination: Kloster
Nach einem langen Tag auf dem See erreichen wir zum krönenden Abschluss das Nga-Phe-Kyaung-Kloster. Ebenfalls auf Pfählen am südwestlichen Rand des Sees bezaubert es durch prächtige Buddhafiguren und eine großzügige Haupthalle.
Und natürlich gibt es auch die allgegenwärtigen Souvenirstände. Das Verhältnis zwischen Religion und Kommerz ist in Myanmar relativ entspannt.
Und das Verhältnis zwischen Religion und spielenden Kids sowieso.
What a day! Nach über 7 Stunden auf dem Inle-See kehren wir müde, aber selig zurück nach Nyaung Shwe – und fliegen am kommenden Morgen in aller Frühe dem nächsten Abenteuer entgegen: Bagan.