Der Wilde Osten Sardiniens
Viele, die Sardinien hören, denken „Smaragdküste“. Klar, kennt jeder. Und sieht ja auch nice aus, die Nordwestküste zwischen Olbia und La Maddalena. Dort wirklich urlauben tun aber nur VIPs und B-VIPs und reiche Russen auf ihren Monsterjachten. Dazu Lewandowski, Berlusconi, Briatore, die Liga halt. Ganz ehrlich: Cooler oder zumindest netter is dann doch woanders. Zum Beispiel zwei Stunden südlich davon, immer die Westküste runter. Hier erstreckt sich ein unbekannteres, aber genauso spannendes Fleckchen Erde, mit versteckten Stränden, schroffen Felsen und Banditenstädtchen: die Ogliastra, der wilde Osten Sardiniens. Es ist ein ungebändigter Spirit, der sich durch die einstige Provinzhauptstadt Lanusei, die Küstenorte Bari Sardo, Tortoli und Arbatax und natürlich das unwegsame, bergige Hinterland zieht – so zumindest sieht man sich dort gern. Was jetzt nicht heißt, dass die Leute nicht nett wären. Denn das sind sie, dort noch eher als im hochglanzpolierten Norden.
Wunderschöne Strände, einsame Buchten, spektakuläre (und dafür leider nicht ganz so einsame) Buchten – die Ogliastra ist voll davon. Besonders zwischen Arbatax und Bari Sardo. Mit Cea, Foxilioni und Lido di Orri liegen gleich drei wunderschöne nebeneinander, getrennt nur durch kleinere Badebuchten, Fels und Wald.
Der letzte Strand im Norden, bevor das große Felsmassiv des Gennargentu beginnt, ist der kleine Hausstrand des verträumten Ferienorts Santa Maria Navarrese.
Golf von Orosei: Die Mondbucht Cala Luna
Gleich oberhalb der Ogliastra liegt der ausladende Golf von Orosei mit dem Bergmassiv des Gennargentu. Hier finden sich wunderschöne, aber mitunter schwer zugängliche Buchten, Grotten und Strände. Zu den berühmtesten zählt die Cala Luna.
Die Cala Luna ist nicht ganz einfach zu erreichen. Am besten nimmt man eines der vielen Ausflugs- oder Schlauchboote. Von Cala Gonone ist man etwa eine halbe Stunde unterwegs. Für die Toughen: Von dort führt auch ein Wanderweg zur Bucht – Dauer: ca. 2 Stunden pro Weg. Haben wir nicht gemacht, aber stabile Schuhe und ausreichend Wasser für unterwegs werden dringend empfohlen. Für die Relaxten: Der Bootstrip ist wirklich nice und lässt sich noch mit Abstechern kombinieren, etwa zur nahe gelegenen Grotte del Blue Marino. In Coronazeiten im Juli 2020 mussten wir bei der Buchung am Hafen von Cala Gonone eine genaue Rückfahrtszeit angeben. Mit zwei Stunden in der Cala Luna kamen wir ganz gut hin, ein Stündchen mehr hätte aber sicher auch nicht geschadet. Cool ist, dass – wenn es zu heiß wird (und das wird es im Juli quasi sofort) – man nicht mal einen Sonnenschirm braucht, weil die Strandhöhlen reichlich Platz und Schatten bieten.
Nuraghe Serbissi: Hoch hinaus
Ancient Culture auf fast 1.000 Metern Höhe: Die in der Bronzezeit entstandene Nuraghekomplex Nuraghe Serbissi (18.-10. Jh. v. Chr.) liegt auf einem Hochplateau mit tollem Blick auf Täler und Hügel der Ogliastra. Auch dieser Punkt ist nicht gerade einfach zu erreichen. Hauptsache, der Mietwagen ist weder schwachbrüstig noch tiefergelegt – es warten steile Serpentinen und abenteuerlich grobschotterige Crossroadpisten. Die letzten paar hundert Meter zu Fuß einen steilen Anstieg hinauf, vorbei am Kassenhäuschen, dann ist man da.
Stille. Weitblick. Die Ruhe der Jahrtausende zwischen uralten, kunstfertig aufgeschichteten Steinen. Und: Kaum andere Touristen. Das ist der Vorteil der stressigen Anfahrt. Wer hier oben steht und die weite, rauhe, bergige Landschaft anschaut, kann verstehen, warum Sardinien immer auch als Insel der Banditen und Rebellen galt.