Corleone – Zuhause bei der ehrenwerten Gesellschaft

Im Herzen Siziliens, auf halbem Weg von Agrigento nach Palermo, liegt das unscheinbare Städtchen Corleone. Die meisten Besucher wissen es natürlich, sei es von Francis Ford Coppola („Der Pate“), aus ihrem Reiseführer oder vom Hörensagen: In Corleone schlug einst das Herz der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra. Und dieser Schuss Gruseltourismus macht den Ort unter vielen vergleichbaren Perlen im schönen sizilianischen Hinterland dann doch ein Stück weit einzigartig. 

Das Ortseingangsschild von Corleone. Ob das Schussloch eine Warnung ist?

Natürlich ist das ein Thrill, der heute halbwegs safe scheint. Aber noch bis zum Millenium herrschten hier Angst und Schrecken, spätestens mit Einsetzen der Dämmerung blieben die normalen Leute lieber zuhause als sich auf die Straße zu wagen, wollte niemand etwas sehen oder hören – und somit womöglich die Aufmerksamkeit der Mafia auf sich ziehen.

Schweigen – die berüchtigte „Omertà“ – war Pflicht, wollte man nicht so enden wie das Opfer auf diesem Bild, dem die Mafia nach der Exekution die Hände in die Hosentaschen stopfte – als Zeichen dafür, dass man die Dinge für sich zu behalten habe.

Noi ne parliamo – wir sprechen darüber

Heute hingegen wird ausdrücklich über die Mafia geredet – zumindest im No-Mafia-Museum im Herzen Corleones. Hier setzt man auf das Ideal der Transparenz als Gegenmittel gegen organisierte Kriminalität und permanente Einschüchterung der Bevölkerung.

Noi ne parliamo: Engagierte Guides führen durch das kleine Museum

Ein Großteil der Ausstellungsstücke besteht aus Akten der großen Prozesse der 90er Jahre rund um die legendären Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sowie ihren Kronzeugen, den frustrierten Ex-Mafia-Boss Buscetta. Falcone und Borsellino hatten den Kampf gegen die Mafia zu ihrem Lebenswerk gemacht und letztlich auch mit ihrem Leben bezahlt.

Kronzeuge der Anklage: der ehemalige Mafia-Boss Buscetta

Die beeindruckendste Attraktion des Museums sind allerdings die Bilder der sizilianischen Fotojournalistin Letizia Battaglia, die in den 70er und 80er Jahren nah am Geschehen war.

Die Bilder von Letizia Battaglia

Für die Fotografin, die regelmäßig den Polizeifunk abhörte, hieß das zumeist: die frischen Tatorte zu dokumentieren – was sie auf künstlerisch höchstem Niveau tat, wie nicht nur die Bilder der Ausstellung, sondern auch verschiedene internationale Auszeichnungen belegen.

Tod hinterm Auto

Genauso beeindruckend wie Battaglias Bilder sind die jungen Führer, die ihren Reisegruppen Hintergründe und Motivation des CIDMA nahebringen. Das Museum lässt sich übrigens nur im Rahmen einer solchen Führung besichtigen, englischsprachige Führungen finden etwa alle halbe Stunde statt und kosten je nach Größe der Gruppe ab 8,-/Person (Stand: Sommer 2017).

Der – übrigens gut ausgeschilderte – Eingang zm CIDMA in einer unscheinbaren Nebengasse

Aktuellste Infos unter http://cidmacorleone.it/en/

Corleone revisited: Kleinstadt auf dem Weg zur Normalität

Heute zeigt sich Corleone als typisch sizilianisches Städtchen mit munteren Piazzen, friedlichen Plätzen und verschlafenen Gassen. Die Cosa Nostra hat gemerkt, dass sie umso erbarmungsloser selbst gejagt wird, je blutiger ihre Taten sind. Und dass sich Geld heute viel komfortabler als mit vorgehaltener Pistole verdienen lässt. Etwa mit versteckter Korruption im Baugewerbe oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Seitdem ist es zumindest auf den ersten Blick ein bisschen ruhiger und „normaler“ geworden. Als Reisender merkt man nichts von der Angst und der brutalen Kriminalität, die jahrzehntelang ihr Unwesen in den Straßen Corleones trieben.